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Aufstieg und Niedergang des ABDA-Lochkärtchens

In deutschen Apotheken wurde die ABDA-Lochkarte Anfang der 1960er Jahre eingeführt. Damit waren die Apotheken gegenüber dem Einzelhandel weit führend. Die Entwicklung stagnierte dann lange, der Einzelhandel zog spätestens dann vorbei, als alle Fertigpackungen Strichcodes mit EAN-Nummern hatten. Dass diese in Apotheken nicht eingeführt wurden, hatte vermutlich zwei wichtige Gründe: Einer war, dass es keine großen Player wie die Supermarktketten gab, um Lieferanten Strichcodes aufzuzwingen, der zweite war, dass vermutlich die ganze Branche die durch Maschinenlesbarkeit erreichbare Transparenz fürchtete, da völlig klar war, dass dies zu Einsparungen führen würde. Letztlich ordnete Horst Seehofer 1993 Barcodes auf Arzneimittelpackungen an und führte  damit verbunden das Rezept im Querformat mit Aufdruck der Pharmazentralnummer (PZN) ein. Daraufhin rüsteten die meisten Apotheken auf POS-Systeme um und die Kärtchen verloren ihre Bedeutung. Der endgültige Todesstoß kam in den 2000er Jahren mit der Erweiterung der PZN auf acht Stellen. Lesegeräte und Kärtchenstanzen konnten damit definitiv nicht umgehen. Inzwischen findet man das ABDA-Kärtchen gelegentlich noch als Standortkärtchen im Ziehschrank – ein Schatten seiner ehemaligen Bedeutung. 

Form und Gestaltung

Die folgende Beschreibung ist im Präsens, auch wenn die Tätigkeiten schon lange nicht mehr so ausgeführt werden.

Aufbau

Die Lochkarte besteht aus mattem Kunststoff. Sie ist zwei Zoll hoch und einen Zoll breit. Das linke obere Eck ist zum Zweck der einfacheren Sortierung in Stapeln abgeschrägt. Die Vorderseite unterhalb der Mittelachse dient der Aufnahme der Lochung. Sie weist etwas rechts der Mitte acht kleine, in einer Reihe gelegene Taktlöcher auf. Links und rechts davon werden etwas größere Löcher zur Kodierung der Pharmazentralnummer eingestanzt. Die Pharmazentralnummer wird zusätzlich unten oder am Rand in Klarschrift aufgetragen. Die obere Hälfte der Vorderseite steht für Beschriftung zur Verfügung.

Die obere Hälfte der Rückseite ist in zwölf (4*3) oder 16 Felder (4*4) aufgeteilt. Damit wird die Bestellstatistik gepflegt.

Farben

Die ABDA-Lochkarte ist jeweils doppelt vorhanden: eine weiße und eine gelbe Lochkarte. Der Informationsgehalt der beiden ist exakt gleich. Am Lagerort eines Arzneimittels befindet sich ein Kärtchenhalter, der beide Kärtchen trägt. Wird ein Artikel abverkauft, so wird die weiße Lochkarte entfernt und zum Bestellen verwendet. Die gelbe Karte bleibt am Platz und dient als Platzhalter für das spätere Aufräumen neu eingetroffener Ware. Sie ist also ein Standortkärtchen.

Weitere Farben werden für Hinweise auf andere oder zusätzliche Lagerorte verwendet:

  • Blau: Ware liegt im Kühlschrank.
  • Grün: Ware liegt im Keller/Kühlraum (Lagerung unter 20°C).
  • Gelb: Es gibt Übervorrat.
  • Rot: Ware liegt bei den Großpackungen.

Für elektromechanische Bestellgeräte wie die klassischen Rundläufer (vom Aufbau her wie Diaprojektoren) wurden zusätzlich Funktionskärtchen benötigt:

  • Grün mit Aufdruck IDF: Kärtchen kodiert die IDF-Nummer (entspricht der früheren BGA-Nummer und heutigen BTM-Nummer der Apotheke). Der Kartenstapel eines Auftrags beginnt mit dem IDF-Kärtchen.
  • Rot mit Aufdruck STOP: Der Kartenstapel eines Auftrags endet mit dem Stoppkärtchen.
  • Blau mit Ziffernaufdruck: Übermittlung der Bestellmenge für die nächsten Kärtchen.
  • Schwarz/gelb mit Buchstabenaufdruck: Funktionskärtchen ohne Artikelbezug für besondere Auftragsarten, zum Beispiel Stapelauftrag, Disposition, Zustellung am Mittwoch Nachmittag, falls die Apotheke ausnahmsweise geöffnet hat…

Für die obere Hälfte der Rückseite waren Aufkleber in verschiedenen Farben verfügbar. So konnte man die Bestellstatistik jedes Jahr in einer anderen Farbe machen.

Detaillierte Beschreibung

Vorderseite

  1. Bestellpunkt. Falls leer, ist der Bestellpunkt 0.
  2. Bestellmenge. Falls leer, ist die Bestellmenge 1.
  3. Standardisierter Warnhinweis.
  4. Falls verschreibungspflichtig, steht hier ein †*, vielleicht auch nur ein +.
  5. Name des Arzneimittels, gefolgt von der Stärke (eventuell in einer Zusatzzeile)
  6. Packungsgröße und Darreichungsform
  7. Normpackungsgröße
  8. Ein Schrägstrich, falls der Artikel ein Verfalldatum hat (generell offenes Verfalldatum wurde erst in den 1990er Jahren üblich).
  9. Nächstkleinere Packung
  10. Nächstgrößere Packung
  11. Angaben zu besonderen Lagerbedingungen. Hier gibt es auch Platz für einen Aufkleber mit dem aktuellen Verkaufspreis der Packung.
  12. Kleinste Anstaltspackung
  13. Pharmazentralnummer

Angaben zu Punkt 1 und 2 werden in der Apotheke vorgenommen und je nach Nachfrage angepasst. Alle weiteren Angaben können vom Anbieter des Artikels vorgedruckt werden.

Die Angaben zu Punkt 9, 10 und 13 machen es möglich, Fragen wie »Gibt es da auch eine kleinere Packung?« zu beantworten, ohne in der Lauertaxe® nachzuschlagen. Nähere Erklärungen zu weiteren Feldern, zum Beispiel zum Bestellpunkt, finden Sie weiter unten.

Rückseite

Für jeden Monat steht ein Kästchen für die Bestellstatistik zu Verfügung, pro Zeile ein Quartal. Bei 16 Kästchen kann in den verbleibenden vier Feldern die Statistik der letzten vier Jahre summiert werden

Lochung

Lochkarten wurden in ganz alten Geräten mechanisch abgelesen, in neueren per Lichtschranke. Die sieben ab Werk vorhandenen Löcher sind Taktlöcher, Informationen tragende Löcher werden jeweils links und rechts davon eingestanzt. Links und rechts gibt es drei Spalten, von denen jeweils maximal zwei benutzt werden. Weist man jeder Spalte einen Stellenwert zu, kann man alle Ziffern bis auf die 0 einfach herleiten.

Ziffer321+6+3+0
0 X    
1  X  X
2 X   X
3X    X
4  X X 
5 X  X 
6X   X 
7  XX  
8 X X  
9X  X  

Die erste Stelle der PZN liegt an unterster Stelle des Kärtchens, die letzte an oberster. Lage der Lochung, Größe und Abstände der Löcher im abgebildeten Beispiel sind nicht maßgetreu abgebildet, die kodierte PZN 1234562 stimmt jedoch.

Apotheken hatten Stanzgeräte im Inventar. Im einfachsten Fall war es eine Halterung mit Bohrungen und ein einfacher Stift, um Löcher einzudrücken. Besser waren Geräte, bei denen man die gewünschte Zahl einstellt, das Kärtchen einlegt und mit einem Hebeldruck die Stanzung vornimmt.

Seit Kärtchen nicht mehr für die Bestellung benötigt werden, werden sie auch nicht mehr gelocht. Da Querteiler in Apothekenschubladen Kärtchenhalter haben, werden sie oftmals noch als Standortkärtchen verwendet. Insbesondere beim Umräumen ist es wesentlich einfacher, Kärtchen umzustecken als Aufkleber zu entfernen und neu zu drucken.

Warnhinweise

Oben im Kärtchen im dritten Kästchen konnten Warnsymbole angebracht werden, ein früher Versuch, Wechselwirkungen und wichtige Informationen ins Bewusstsein zu bringen. Waren mehrere Warnhinweise betroffen, so wurden die Abbildungen übereinander gelegt. Wechselwirkungen mit Antidiabetika und Antikoagulantien wurden also durch einen weißen Kreis auf schwarzem Grund dargestellt. Die Warnsymbole wurden erst in den 1980er Jahren eingeführt, sie hätten von den Arzneimittelanbietern auf den Kärtchen angebracht werden sollen. Das hatte sich leider nicht durchgesetzt.

Bestellung und Wareneingang

Wenn eine Packung aus der Schublade entnommen wird, wird der Bestellpunkt auf dem Kärtchen geprüft. Ist er erreicht, wird das weiße Kärtchen gezogen und in eine nach Bestellmengen geordnete Kartei gelegt. Ist der Bestellpunkt nicht erreicht, bleibt das Kärtchen am Platz.

Zur Bestellung werden die Kärtchen in ein Lesegerät gesteckt. Vor dem Stecken werden Bestellmenge und Lieferant eingegeben. Die Kärtchen werden anschließend alphabetisch sortiert und auf der Rückseite wird die Bestellstatistik geführt. Nach telefonischer Rückmeldung des Großhandels werden Kärtchen von nicht lieferbaren Artikeln in die Bestellung des nächsten Großhändlers oder in die Defektablage gegeben.

Beim Wareneingang werden die Packungen alphabetisch auf dem Tisch aufgebaut. Kärtchen werden zur Ware gelegt, so fallen Fehlmengen, zuviel gelieferte und mündlich (=telefonisch) bestellte Artikel sofort auf. Packungen und weiße Kärtchen werden in die Schubladen geräumt, die gelben Kärtchen dienen als Platzhalter und Wegweiser.

Besondere Situationen

  • Steckt in der Schublade nur ein gelbes Kärtchen, so ist die Ware aktuell in Bestellung.
  • Zeigt sich vor dem Bestellen, dass das Kärtchen auf der Rückseite schon längere Zeit keine Statistik mehr aufweist, wird es als Ladenhüter aussortiert (gegebenenfalls nach Rücksprache).
  • Artikel ohne Kärtchen werden mündlich (=telefonisch) bestellt. Das erfordert dann auch beim Wareneingang eine Sonderbehandlung (vermutlich gibt es einen Abholzettel, da es sich nicht um Lagerware handelt).
  • Artikel, die bei keinem Großhandel erhältlich sind, erfordern ebenfalls eine Sonderbehandlung.

Übervorrat

Wenn es von einem Artikel Übervorrat gibt, steckt am Lagerplatz ein farbiges Kärtchen, das weiße Kärtchen ist im Übervorratslager. Beim Verkauf wird das Kärtchen gezogen, wenn der Schubladenbestand zur Neige geht. Die PKA räumt dann mit Hilfe dieser Kärtchen die Übervorräte um.

Bestellpunkt und Bestellmenge

Bestellpunkt ist die Anzahl an Packungen, bei der das Kärtchen gezogen wird. Der Bestellpunkt ist dadurch um 1 niedriger als der Mindestbestand in einem POS-System. Beispiele: Bestellpunkt 0 bedeutet, dass das Kärtchen gezogen wird, wenn die Schublade leer ist, Bestellpunkt 5 bedeutet, dass bei einem verbleibenden Bestand von höchstens 5 das Kärtchen gezogen wird.

Von der ABDA wurde vorgeschlagen, Bestellpunkt und Bestellmenge gemeinsam durch einen farbigen runden Aufkleber zu kennzeichnen. Ein Kärtchen ohne Aufkleber bedeutet Bestellpunkt 0, Bestellmenge 1 (wenn nichts mehr da ist, wird eine Packung nachbestellt). Hier ein Auszug aus der Farbtabelle:

FarbeBestellpunktBestellmenge 
(kein Aufkleber)01 
gelb12 
rot13 
grün25 
blau310 

Bis in die 1990er Jahre war es noch üblich, dass Apotheken gestaffelte Rabatte erhielten, auf drei Packungen gab es also mehr Rabatt als auf eine, die nächste Rabattstufe war typischerweise fünf. Das spiegelt sich im Farbsystem wider.